4.5.1 Die Everett Welten
Was Hugh Everett uns letztlich in seiner Theorie vermittelt bedeutet, dass unsere bisherige Sicht der Realität nicht zutreffen kann. Wir glauben, dass jede Messung nur EIN Ergebnis erzeugt, was dem physikalischen Realismus Konzept entspricht (vgl. 5.5).
Doch tatsächlich wird nach Everett die Vielzahl ALLER möglichen Messergebnisse Wirklichkeit. Wir nehmen jedoch qua Messung nur EINE Wirklichkeit wahr.1
Während Everett die „Zweige“ der Wirklichkeit „relative Zustände“ nannte, ihren ontologischen Status jedoch nicht näher festlegte, sprach der amerikanische Physiker Bryce deWitt (1923 – 2004) in einem Artikel (1970) „Quantum mechanics and reality“ von „Many Worlds“.
Abb, 1 Bryce DeWitt; Quelle: AIP Emilio Segrè Visual Archives, Physics Today Collection
In der auf deWitt zurückgehende Version der VWI „spaltet“ sich die Welt bei jeder Wechselwirkung von Dingen (Ereignissen) z. B. einem Münzwurf (Wechselwirkung zwischen Münze, Handbewegung, Luftwiderstand, etc.).
Als Ergebniss des Münzwurfes entstehen zwei getrennte „Everett Welten„: eine mit dem Resultat „Kopf oben“ und eine zweite mit dem Resultat „Zahl oben“.
„Die Wirklichkeit besteht demnach aus einer gigantischen Wellenfunktion, die Everett „universal wave function“ nennt. „Diese ‚universelle Wellenfunktion‚ … beginnt als eine Kombination oder Superposition aller Zustände seiner konstituierenden Teilchen. Wenn sie sich entwickelt, brechen einige dieser Überlagerungen zusammen und lassen bestimmte Realitäten deutlich und von einander getrennt hervortreten. Dies ist der Grund, warum wir streng genommen nicht von ‚Spaltung‘ von Welten sprechen sollten (obwohl auch Everett dies tat) als ob zwei Welten aus einer entstanden wären.
Wir sollten vielmehr von einer Entfaltung von zwei Realitäten sprechen, die zuvor nur mögliche Zukünfte einer einzigen Relität waren.“ (Übers. durch Verfasser)2
„Der Quantenzustand des Universum Ψ kann mithin zerlegt werden bzw. besteht aus einer Superposition von Everett – Welten: |ΨUniversum> = |Σα|Ψ Welti⟩, wobei Σ für die Summe der „Welten“, die komplexe Zahl α für ihre Wahrscheinlichkeit und Ψ für die Wellenfunktion steht. Unterschiedliche „Welten“ entsprechen unterschiedlichen klassischen Zuständen der Wirklichkeit.
Die Multiversum These, die davon ausgeht, dass es Myriaden Universen gibt, welche durch unterschiedliche, getrennte Big Bang Ereignisse erzeugt wurden, muss allerdings von der Viele – Welten Theorie Everetts unterschieden werden.“3 Diese These ist jedoch nicht unumstritten (z. B. Susskind)“
- Markus Michael,Die Vielweltentheorie, Ausarbeitung zum Seminarvortrag vom 18.05.2011, Universität Münster, Physik, S. 7 f.,[Digitale Ausgabe], URL: https://www.uni-muenster.de/Physik.TP/archive/fileadmin/lehre/teilchen/ss11/Vielweltentheorie.pdf ↩︎
- H. Dieter Zeh, Physik ohne Realität: Tiefsinn oder Wahnsinn? Springer Verlag: 2012, S. 65ff. ↩︎
- Ibd. ↩︎

