5.7.2.2 Die Entstehung von Wurmlöchern durch
ER=EPR
Abb. 1. Schwarzes Loch oder Wurmloch? Forscher wollen es herausfinden. Foto: iStock.com/fredmantel1
Auf eine mögliche Beschreibung Weißer Löcher als Teile eines „Wurmloches“ (vgl. 5.6.4, 5.6.5.2, 5.6.5.3) wurde bereits hingewiesen. Wurmlöcher sind wohl neben Schwarzen Löchern die exotischsten Ergebnisse der Allgemeinen Relativitätstheorie (ART) Albert Einsteins. Und doch finden sie in der Kosmologie des 21. Jahrhunderts zunehmend das Interesse der theoretischen Physik.

Abb. 2 zeigt im oberen Bild, „dass Wurmlöcher, die zwei Schwarze Löcher in unterschiedlichen Regionen der Raumzeit verbinden, existieren können, aber nur, wenn Elementarteilchen (rote Kugeln) auf den Ereignishorizonten der beiden Schwarzen Löcher quantenmechanisch miteinander verschränkt sind, in Abb. 2 angedeutet durch die roten Linien. Im unteren Bild wird die Verschränkung der Schwarzen Löcher unterbrochen und das Wurmloch reißt ebenfalls ab, was nahelegt, dass Verschränkung der Faden ist, der Raumzeit zusammenhält.“2
Schwarze Löcher [vgl. 5.4.1.1] waren eine Prognose aus den frühesten Tagen der ART. In den 1970er Jahren leiteten die Physiker Jakob Bekenstein und Stephen Hawking ein merkwürdiges Ergebnis im Zusammenhang mit Schwarzen Löchern ab [vgl. 5.6.2, 5.6]: Schwarze Löcher haben eine Temperatur und daher eine Eigenschaft namens Entropie [vgl. 5.1, 5.2].
Doch, wenn ein Schwarzes Loch [eigentlich] nur .. extrem zermalmte glatte Raumzeit ist, sollte es keine Substruktur enthalten und damit keine Entropie. …
Diese Lücke in der ART verlangte nach einer Erklärung. Es war Einstein selbst, der mit seiner Kritik an der Quantentheorie die mögliche Erklärung lieferte.
Er betrachtete die seltsame „Fernbeziehung„ zwischen zwei Teilchen, die nach einer Wechselwirkung miteinander getrennt werden und sich danach dennoch scheinbar unabhängig von Raum und Zeit gegenseitig beeinflussen konnten, als ’spukhafte Fernwirkung‘ (Einstein), heute unter dem Begriff ‚Quantenverschränkung‚ bekannt (vgl. 3.3.).
Die Koexistenz von ART und Quantenverschränkung führte zu dem berühmten Informationsparadox: dem scheinbaren Verlust von Information in Schwarzen Löchern, der im Gegensatz zu dem quantenmechanischen Gebot der Informationserhaltung steht…
Eine mögliche Lösung des ‚Informationsverlust Paradoxes‘ Schwarzer Löcher war die Idee, dass die Information mit der Hawking Strahlung entkommt.
Doch 2012 zeigten Joseph Polchinski, Don Marolf und Kollegen der Universität von Kalifornien, Santa Barbara, … dass ein Hawking Partikel, der unterwegs ist, um Informationsverlust zu vermeiden, mit allen anderen Hawking Partikeln verschränkt sein müsste, die das Schwarze Loch zu jedem früheren Zeitpunkt verließen und nicht nur mit seinen Partnern außerhalb des Horizontes.
Diese Forderung verstößt jedoch gegen eine fundamentale Quantenregel bekannnt unter dem Begriff ‚Monogamie der Verschränkung‚ (‚monogamy of entanglement‚).“ Sie besagt, “ .. dass ein Quantenpartikel jeweils nur mit einem Partikel vollständig verschränkt sein kann. Wenn man jedoch die ‚polyamoröse‘ Verschränkung der Hawking Partikel auflöst, entsteht eine energetische ‚Firewall‚ aus Strahlung am Ereignishorizont, die jedoch unglücklicherweise gegen die Grundsätze der Allgemeinen Relativitätstheorie verstößt.
Die Physiker Juan Maldacena und Leonard Susskind argumentierten jedoch, das dieses Problem gelöst werden kann, wenn die Partikel innerhalb des Horizontes und die weit entfernten Partikel der Hawking Strahlung durch ein Wurmloch miteinander verbunden waren.
Abb. 3 Juan Maldacena an der Harvard University
Abb. 4 Leonard Susskind an der Stanford University (2013)
Wenn ein Wurmloch zwei Objekte miteinander verbindet, muss eines in der Zukunft des anderen liegen. D. h. diese zwei Partikel [- einer innerhalb des Horizontes und einer außerhalb – ] können miteinander verschränkt sein, ihre Verschränkung steht nicht notwendigerweise im Konflikt mit der Verschränkung des Partikels innerhalb des Horizontes und seinem unmittelbaren Partner außerhalb des Horizontes, weil die Verschränkungen nicht alle gleichzeitig geschehen.“(Vgl. 5.7.2, Abb. 3). Firewalls entstehen also nicht.“ Offen blieb jedoch die Frage nach dem endgültigen Schicksal eines Schwarzen Loches.
„.. Hoffnung für eine Lösung des Problems gab 1997 Maldacenas Entdeckung der AdS/CFT Korrespondenz, vgl. Maldacena Dualität) (vgl. auch 5.5.1).
1. Die Einstein-Rosen Brücke (ER)
Im Jahr 2001 wies Maldacena dann auf eine von Einstein und Rosen 1935 verfasste Schrift hin, die die Möglichkeit einer inneren Verbindung zweier Schwarzer Löcher durch eine ‚Brücke‘ eröffnete, die als Einstein-Rosen Brücke [ER] (später „Wurmloch„) bekannt wurde. Maldacenas Dualität zeigte jetzt, dass ein Wurmloch .. nur durch Quantenverschränkung des Äußeren der Schwarzen Löcher möglich ist (vgl. Abb. 2).
Nachdem bis 2009 die mathematischen Grundlagen für diese Beschreibung entwickelt worden waren, konnte der niederländisch-amerikanische Theoretiker Mark van Raamsdonk
Abb. 5 Mark van Raamsdonk, 2023
darlegen, dass Verschränkung in unterschiedlichen Graden existiert. Die Reduzierung der Quantenverschränkung zweier Schwarzer Löcher bis auf Null führt zum Beispiel zu einem Zerreißen der Wurmlochverbindung, wie bei einem Kaugummi, den man überdehnt. Der Durchmesser des Wurmlochs schrumpft, wird immer dünner bis die Verbindung unterbrochen wird und zwei unverbundene Teile Raumzeit übrigbleiben (vgl. Abb. 1). Der umgekehrte Prozess führt zu einer Neubildung des Wurmlochs.
Im Jahr 2013 teilte Maldacena Leonard Susskind (Stanford) seine Vermutung mit, das die Quantenverschränkung [EPR] und die Einstein-Rosen Brücke [ER] zwei Seiten der gleichen Medaille waren: ER [Einstein, Rosen] = EPR [Einstein, Podolsky, Rosen], „.. die gleiche Physik in unterschiedlichem Gewand“.
Van Raamsdonk sprach davon, dass ‚Raumzeit in Wirklichkeit nur eine geometrische Manifestation der Verschränkung ist.‘ Maldacena gelangte zu derselben Schlussfolgerung: ‚Die Kontinuität der Raumzeit, die etwas sehr solides zu sein scheint, könnte von den geisterhaften Eigenschaften der Verschränkung kommen.“ Susskind vermutete, dass Quantenverschränkung eine Form der Information ist und ‚Raumzeit daher eine Manifestation der Quanteninformation.‘
Bedeutet dies nun z. B, dass zwei (in einem Labor) miteinander verschränkte Photonen durch ein mikroskopisches Wurmloch miteinander verbunden sind? Oder dass wir auf einem Hintergrund unserer Realität leben, der nichts anderes ist als die Quantenbits einer verschränkten Information? Kurz gesagt, wir wissen es bisher nicht.

Abb. 6 zeigt „das Penrose Diagram eines AdS-Schwarzschild Schwarzen Lochs.“3 „Im Setting einer AdS/CFT Korrespondenz wird die AdS-Schwarzschild Schwarzen Loch Lösung interpretiert im Sinne zweier sehr von einander entfernten Schwarzen Löcher, die im gleichen Raum lokalisiert und durch eine ER Brücke [3,4 Abb. 1]. miteinander verbunden sind, werden in diesem Kontext einer ER Brücke zwischen zwei asymptotischen AdS Regionen als dual äquivalent zu zwei konformen Quantefeldtheorien, die, obwohl sie nicht miteinander wechselwirken, thermisch miteinander verschränkt sind. Auf diese Weise, wenn wir die Konstante t=0 als raumartige Scheibe betrachten, dann gehen wir davon aus, dass zwei äußere AdS Regionen, die sich in einem thermischen verschränkten Zustand befinden, durch eine ER Brücke verbunden werden. Auf äquivalente Weise betrachten wir die AdS Lösung, die sich auf die Wurmlochverbindung der beiden von einander entfernten Schwarzen Löcher bezieht, als dual äquivalent zu einem Thermofeld-Doppel-Zustand [15]. Letzterer ist ein stark verschränkter Quantenzustand, der sich auf die linke [‚LEFT CFT‘] und rechte [‚RIGHT CFT‘] zeitreversible symmetrische konforme Quantenfeldtheorie bezieht, die und auf der linken bzw. rechten Boundary (Grenze des Bulk = das Innere unseres Universums im Gergensatz zu der umgebenden holografischen Grenze) definiert ist [vgl. Abb. 6]. Dementsprechend verursacht ein Wurmloch zwischen zwei voneinander entfernten Schwarzen Löchern im Bulk eines Thermofeld-Doppel-Zustand auf der Grenze (Boundary) des Bulk . Somit erscheint die implizierte These “ER => EPR” gerechtfertigt. Doch wie stet es mit der umgekehrten Implikation “EPR => ER”? (Übers.d. V.) 4
2. Die holografische Verschränkungsenergie Ryu und Takayanagi revisited
„Der entscheidende Input [für eine holografische Interpretation des Thermofeld-Doppel Zustandes, TFDZ] ergibt sich aus dem Begriff Entropie, der den hochgradig verschränkten TFDZ charakterisiert. Er entspricht der Bekenstein -Hawking Entropie eines Schwarzen Lochs. Daher ist sie proportional zu der Fläche des Ereignishorizontes eines Schwarzen Lochs. Ryu und Takayanagi haben eine Methode der Berechnung der Verschränkungsenergie, die eine Region einer konformen Feldtheorie betrifft, eingeführt.
Sie beruht auf einer Aufteilung der Zeitscheibe der AdS Grenze [vgl. zum Begriff „Zeitscheibe“ auch Christian Wuthrich, „Zeitreisen und Zeitmaschinen“, University of California, San Diego, in Thomas Muller (ed.), Philosophie der Zeit: Neue analytische Ansätze, Frankfurt a.M.: Klostermann, 2007, pp. 191-21, here pp. 11-13] [boundary] in zwei Regionen [7]. [i. e. „zeitartig Rand“ und daher ist ein … „Austausch von Information mit dem unendlich entfernten Rand in endlicher Zeit ist möglich“ , d. V.]5. .Diese Aufteilung der AdS Grenze ist holografisch auf eine Oberfläche Γ𝑍 ausdehnbar . Der Teilbereich der AdS Grenze ist holografisch ausdehnbar auf die Zeitscheibe, die sich auf die Bulk Raumzeit bezieht, die im Rahmen der dual äquivalenten Gravitationstheorie [der Bulkraumzeit] verstanden werden kann.
Diese Überlegungen führten zum Begriff der holografischen Verschränkungsentropie. Wenn eine Aufteilung der Grenze vermittels der Regionen Y und Z stattfindet, dann ist die Grenze ∂𝑍 von Z holografisch ausgedehnbar auf eine Oberfläche Γ𝑍 der betrachteten Zeitscheibe, im Raumzeit Bulk, sodass ∂𝑍=∂Γ𝑍 ist.
Der Umfang der Gültigkeit der Ryu-Takayanagi Hypothese, welche die Einschätzung der holografischen Verschränkung erlaubt, die sich auf die bestimmte Region einer konformen Feldtheorie bezieht, kommt auch zur Geltung, wenn sie auf den TFDZ zweier hochgradig verschränkter Schwarzer Löcher angewendet wird. In diesem Fall sollte die Verschränkungsentropie, die sich auf die Region der CFT bezieht, für die der TFDZ relevant ist, erweitert werden durch die Verschränkungsentropie , die den Thermischen – Doppel Zustand charakterisiert.
Es gibt viele Möglichkeiten zu zeigen, dass dies plausible ist, aber Ryu and Takayanagi haben argumentiert, dass eine einzelne Oberfläche mit minimaler Fläche definiert werden kann, die identisch mit Γ𝑍. ist, sodass die holografische Verschränkungsentropie der Region Z proportional ist zu der Fläche der der Oberfläche Γ𝑍. Die gilt auch für den Fall eines Schwarzen Lochs, wo die minimale Fläche diejenige Oberfläche ist, die den Horizont umschließt.
Im Fall, dass die Schwarzen Löcher nicht miteinander verschränkt sind, ist die Ryu-Takayanagi Hypothese direkt anwendbar.“
Die Thesen Maldacenas und Susskinds gelten nämlich ’nur für eine Raumzeit, die nicht (beschleunigt) expandiert, wie [z. B.] in unserem Kosmos.‘ .. Doch Maldacena stellt fest: Das ER = EPR Prinzip ist etwas, ‚der eine Theorie der Quanten Gravitation folgen sollte. … Andere waren weniger überzeugt. Joe Polchinski und Don Marolf, Physiker an der Universität von Kalifornien,.. machten sich Sorgen, ob die ER = ERP Idee nicht damit endet, dass ein zentrales Prinzip der Quantentheorie, bekannt als „Superposition, modifizieren wird. … .‘ (vgl. 3.2.1 Das Superpositionsprinzip).
Marolf stellte fest: ‚Auf ersten Blick bedeutet die ER = ERP Hypothese, dass Systeme, die verschränkt wurden und damit auch in eine Überlagerung eintreten, plötzlich ein Wurmloch erhalten – ein Zaubertrick, den das Superpositionsprinzip offensichtlich nicht gestattet. Das ist problematisch‘, meinte Polchinski ‚…. Marolf seinerseits war nicht überzeugt, dass die ER = ERP Gleichung unter allen Bedingungen funktioniert. … Was hätte wohl Einstein, der Erfinder beider Prinzipien zu der Auseinandersetzung gesagt?“6
- Nikolija Korzanovic, „Schwarze Löcher könnten Eingänge für Wurmlöcher sein – zumindest in der Theorie“, in: Future-Zone, 31.10.2020,Digitale Ausgabe], URL: https://www.futurezone.de/science/article230769260/Schwarze-Loecher-koennten-Eingaenge-fuer-Wurmloecher-sein-zumindest-in-der-Theorie.html; vgl. M. Yu. Piotrovich, S. V. Krasnikov, S. D. Buliga, T. M. Natsvlishvili, „Search for wormhole candidates in active galactic nuclei: radiation from colliding accreting flows“, in: Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, Volume 498, Issue 3, November 2020, pp. 3684- 3686, [Digitale Ausgabe], URL: https://arxiv.org/pdf/2008.09411.pdf ↩︎
- Elias Zafiris und Albrecht von Müller, „The ‚ER = EPR‘ Conjecture and Generic Gravitational Properties: A Universal Topological Linking Model of the Correspondence between Tripartite Entanglement and Planck-Scale Wormholes“, in: MDPI, Parmenides Foundation, Center for the Conceptual Foundations of Science, Volume 8, Issue 3, Munich: 2022, [Digitale Ausgabe], URL: https://www.mdpi.com/2218-1997/8/3/189 ↩︎
- Anil Ananthaswamy, „Entangled universe: Could wormholes hold the cosmos together?“, in: Wormhole Hunter, 1. Mai, 2016, [Digitale Ausgabe], URL: https://wormhole.medium.com/entangled-universe-could-wormholes-hold-the-cosmos-together-437dfaf61771 ↩︎
- Elias Zafiris und Albrecht von Müller, „T he ‚ER = EPR‘ Conjecture and Generic Gravitational Properties: A Universal Topological Linking Model of the Correspondence between Tripartite Entanglement and Planck-Scale Wormholes“, in: MDPI, Parmenides Foundation, Center for the Conceptual Foundations of Science, Volume 8, Issue 3, Munich: 2022, [Digitale Ausgabe], URL: https://www.mdpi.com/2218-1997/8/3/189 ↩︎
- Artikel „Anti-de-Sitter-Raum“, in: Physik für Alle, Lexikon, [Digitale Ausgabe], URL:https://www.cosmos-indirekt.de/Physik-Schule/Anti-de-Sitter-Raum ↩︎
- Anil Ananthaswamy, „Entangled universe: Could wormholes hold the cosmos together?“, in: Wormhole Hunter, 1. Mai, 2016, [Digitale Ausgabe], URL: https://medium.com/@wormhole/entangled-universe-could-wormholes-hold-the-cosmos-together-437dfaf61771 ↩︎




