3.2 Das Superpositionsprinzip
Schon die Postulierung nicht – materieller „Felder“ durch Maxwell (vgl. 2.4) hatte die physikalische Untersuchung der „Materie“ weitgehend in den Bereich der neuen Feldtheorie verschoben. Schließlich führte die durch Max Planck (1858 – 1947) begründete Quantentheorie zur endgültigen Revolutionierung der neuzeitliche Physik.
Sie ließ den traditionellen Materialismus Galileis und Newtons endgültig fragwürdig erscheinen.

Abb. 1 Max Planck um 1930
Die Superposition gehört zu den besonders kontraintuitiven Phänomenen der Quantentheorie (vgl. auch 1). Man stelle sich z. B. ein physikalisches System vor, das aus einem Elementarteilchen (z. B. einem Elektron) besteht. Dieses Quantenteilchen soll zwei Eigenschaften besitzen: Es soll sich zuerst an einem Punkt A und dann an einem Punkt B aufhalten.
Bei einer Linearkombination beider Punkte sagt nun die Quantentheorie, dass sich das Elektron zugleich (simultan) am Punkt A und am Punkt B aufhält, weil sich die beiden Orte in einer „Überlagerung“ (Superposition) befinden. Diese Überlagerung ist als Interferenz der beiden Orte in der Quantenwelle des Elektrons kodiert.
Als Folge der Superposition verlieren „Materieteilchen“ ihre klassische Lokalität.
Man kann Überlagerung mit einer technischen Radiowelle veranschaulichen.2 Bei einer Radiowelle zur Erzeugung unterschiedlicher Rundfunkprogramme ist das sogenannte Trägersignal eine periodisch sich ändernde Größe (Frequenz, Amplitude, Phase, etc.), die durch Modulation zum Träger des Nutzsignals (z. B. ein einzelnes Rundfunkprogramm) wird.
Im UKW – Rundfunk z. B. wird auf 100 MegaHz das Nutzsignal als Frequenzänderung des Trägers im Bereich von 99,925 bis 100,075 MHz dargestellt (Modulation). Beim Empfänger ist das Trägersignal das Bezugssignal zur Demodulation des Trägers; mit dessen Hilfe wird das Nutzsignal vom Trägersignal getrennt und z.B. als bestimmte Frequenz einer Radiostation frei.
Analog kann ein quantenmechanischer Träger (die Quantenwelle eines Elektrons) infinitesimal viele Informationen z. B. über unterschiedliche Orte des Elektrons kodieren, die sich bei einer Messung dann getrennt, allerdings „ausgewählt“ durch ein „Wahrscheinlichkeitsprinzip“ (Bornsche Wahrscheinlichkeitsinterpretation) bei einer Messung manifestieren.
Wir können daher nicht voraussagen, an welchem Ort das Teilchen gemessen wird, seine Position ist nicht – deterministisch, sondern nur probabilistisch (vgl. Bornsche Wahrscheinlichkeitsinterpretation).
Es lässt sich lediglich „prognostizieren“, dass sich das Teilchen an seinem „natürlichen“ (wahrscheinlichsten) Ort aufhalten wird (z. B. in der Nähe des Atomkerns und nicht, was aber auch eine Wahrscheinlichkeit größer Null besitzt, im Andromedanebel).
Abb. 2 Unsere Nachbargalaxie M31 (Andromeda Nebel)
Die Wahrscheinlichkeit des Aufenthaltsortes eines Teilchens kann mit Hilfe der Schrödingerfunktion berechnet werden.
Die Eigenschaft eines Teilchens sich potentiell an unendlich vielen Orten (mit unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten) aufhalten zu können ist in der Quantenwelle des Teilchen in Form entsprechender Interferenzen der Ortsinformationen enthalten.
Abb. 3. Der österreichische Physiker Erwin Schrödinger (1887 – 1961) hat 1935 versucht die scheinbar möglichen Absurditäten der Quantenphysik (nach der damals vorherrschenden Kopenhagener Deutung) durch ein paradoxes Gedankenexperiment – „Schrödingers Katze“ – zu veranschanschaulichen. Er stellte sich vor, eine lebende Katze wäre in einer geschlossenen Stahlkammer eingesperrt, zusammen mit folgenden Utensilien: einem Geigerzähler mit einer Probe radioaktiven Materials, die so klein war, dass vielleicht im Laufe von einer Stunde ein Atom radioaktiv zerfiel, wobei aber auch die gleiche Wahrscheinlichkeit bestünde, dass kein Atom zerfiel. Wenn ein Atom zerfiele, würde der Geigerzähler reagieren. Durch ein Relais würde dann ein kleiner Hammer ausgelöst, der ein Fläschchen mit Zyansäure zerstörte, die die Katze töten würde. Wenn man das gesamte System eine Stunde lang unbeobachtet ließe, würde man sagen müssen, dass die Katze noch lebte, wenn kein Atom zerfallen wäre.
Ein Atomzerfall hingegen hätte sie vergiftet. Da sich jedoch quantenphysikalisch die Möglichkeit eines Atomzerfalls mit der Möglichkeit, dass kein Atom zerfiel in Superposition befände und dieses System auch mit dem „System Katze“ verschränkt (vgl. 3.3) und überlagert wäre, müsste sich die Katze am Ende der Stunde in der ungeöffneten (also nicht durch eine Beobachtung „gemessenen“ Kammer) in einen Zustand von Tot- und Nichttotsein befinden.
Erst, wenn die Kammer geöffnet würde, würde der Quantenzustand der Katze durch diese „Messung“ (Öffnung der Kammer) entweder im Zustand „tot“ (nach Atomzerfall) oder „lebendig“ (ohne Atomzerfall) sein. Schrödinger wollte nicht beweisen, dass es den Schwebezustand der Katze tatsächlich gibt, sondern nur zu welchen Absurditäten die Kopenhagener Deutung der Quantenphysik führen kann, die ja unter anderem besagt, dass erst durch einen Messvorgang ein Quantenzustand Realität wird, der vorher nicht existierte.
Die Annahme der klassischen, materialistischen Physik, dass „Materieteilchen“ einen festen, berechenbaren Ort besitzen, ist mit diesem Quantenphänomen nicht mehr vereinbar (Indeterminismus).
- Simon Oliver, „Physics without Physis: On Form and Teleology in Modern Science“, in: Durham Research Online, 2020 S. 447ff. [Digitale Ausgabe: Url: https://dro.dur.ac.uk/31091/2/31091.pdf?DDD32+wfmd27 ↩︎
- Artikel „Träger (Nachrichtentechnik“, in Wikipedia, [Digitale Ausgabe: URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Tr%C3%A4ger_(Nachrichtentechnik)
In der Quantenmechanik verwendet man für die Darstellung eines „Zustandsvektors“ (Quantenzustands) die Dirac Notation, z. B. für Spin-Up den „Ket“ |UP> für einen Vektor des reelwertigen Vektorraums V und den „Bra“ >UP| für einen dem reelwertigen Vektor Ket entsprechenden komplexwertige Vektor des Dualvektorraums V* . Das Skalarprodukt eines ‚Bras‘ a*. und eines Kets b hat die Schreibweise: , i. e. ein Braket. ↩︎


