5.4.2 Die holografische Grenze
Wir haben festgestellt, dass die Untersuchung der Thermodynamik Schwarzer Löcher (vgl. 5.4.1.1) zu Bekensteins These führte, dass es allgemeine Grenzen der möglichen Informationskapazität eines physikalischen Systems, z. B. einer beliebigen Region des Raumes, gibt. Bekenstein postulierte also eine „allgemeine Entropiegrenze“, „which limits how much entropy can be carried by a specified mass of a specified size… .“, i.e er postulierte eine Begrenzung für „die Entropie in einem sphärischen Raumbereich mit bestimmter Oberfläche A …“1
Abb. 1. Der israelisch-amerikanische theoretische Physiker Raphael Bousso (geb. 1971) hat bei einem Vortrag (2006) in Berkeley das [von Gerard t’Hooft formulierte] „holografische Prinzip“ auf folgende Weise beschrieben: „Das holografische Prinzip basiert auf einer Beobachtung, die wir vor einigen Jahren gemacht haben, dass es eine Beziehung gibt zwischen der Geometrie von Raum und Zeit und ihrem Informationsgehalt, eine Beziehung, die nicht notwendigerweise existieren sollte.“ 2 Was genau drückt das holografische Prinzip aus?
Es „besagt, dass alles was im Raum geschieht als Information interpretiert werden kann, die irgendwie auf der Oberfläche des Raums gespeichert ist. Stellen sie sich z.B. einen dreidimensionalen Raum vor, der sich im Innern der eingerollten zweidimensionalen Oberfläche eines Zylinders befindet [vgl. Abb. 1 oben]. Sie befinden sich in diesem Raum, aber vielleicht lebt eine Art Schatten oder Reflexion auf der Oberfläche.“ [Übers. d. Verf.].
Im Unterschied zu der nur begrenzten Informationsmenge des zweidimensionalen Schattens (Umriss) beinhaltet die holografische Fläche einer Raumregion die gesamte in dieser Region vorhandenen Information. 3
In der Folgezeit wurde 1993 von Gerard t’Hooft (geb. 1946) von der Universität Utrecht das „holografischen Prinzip„ und damit eine „holografische Grenze“ aufgestellt (vgl. auch Abb, 1) und 1995 von Leonard Susskind (geb. 1940) von der Stanford University in Form der holografischen Grenze weiterentwickelt. Das „holograpfische Prinzip„ postuliert folgende Bedingungen:
Es verlangt, dass die Zahl der Freiheitsgrade einer Einheitsfläche nicht größer als eine Planckfläche [10-66cm2] ist.
Als Folge .. die Entropie (Information) einer Region nicht seine Fläche [die umgebende Oberfläche] in Planckeinheiten übersteigen“ darf.4
„Das Holografische Prinzip legt also fest wieviel Entropie (Information) die Materie und Energie beinhaltet, die ein vorgegebenes Raumvolumen belegt: S ≤ kbAc3 / 4G ħ ( kb = Boltzmann – Konstante; A = Oberfläche eines sphärischen Raumbereichs; c3 = dritte Potenz der Lichtgeschwindigkeit„; ħ = reduziertes Planksches Wirkungsquantum: G = Gravitationskonstante;).
Es zeigte sich, dass die Entropie eines isolierten (sphärischen) Volumes mit der äußeren Grenzfläche (Horizont) A notwendigerweise kleiner als A⁄4 sein muss, i.e. dass die maximal mögliche Entropie eines physikalischen Systems von seiner Grenzfläche (seinem Horizont) und nicht von seinem Volumen abhängt. 5
Welche Informationsspeicherkapazität hätte demnach der Ereignishorizont eines Schwarzen Loches (SL)? Dabei ist zu berücksichtigen, das die Qubits eines Schwarzen Loches auf seiner Oberfläche in Quadraten der Planckgröße gespeichert sind (Planckgröße = 10-33cm, 1 Qubit = 10-66cm2).
So würde z. B. die „Entropie eines Schwarzen Loches von nur einem Zentimeter Durchmesser .. 1066 Bits betragen – dies entspricht der thermodynamischen Entropie eines Wasserwürfels mit zehn Milliarden Kilometern Kantenlänge.“6.
Oder, um ein anderes Beispiel zu nennen, eine Münze mit einem Durchmesser von 1 cm könnte eine Informationsmenge von 1066 Quantenbits speichern, eine absolut umwerfende Zahl.“
Die in einem Schwarzen Loch (oder in einer beliebigen anderen begrenzten Raumregion) enthaltenen Mikrozustände (Qubits) sind nicht nur auf der Oberfläche des Volumens als Qubits in Planckgröße gespeichert, sondern wegen ihrer zuvor erfolgten Wechselwirkung miteinander auch verschränkt. (vgl. 3.2 Das Verschränkungsprinzip)
Raphael Bousso stellte 1978 fest, dass die Stringtheorie eine Beschreibung (vgl. 5.6.4) in einer niedrigeren Dimension zulässt, in der Gravitation quasi auf holografische Weise emergiert. Im Jahr 1999 schlug Bousso eine modifizierte holografische Grenze vor.7
Der amerikanische Psychiater Marc Germine erwähnt in seiner Darstellung des holografischen Prinzips u.a. auch die „neuen Ergebnisse“ aus dem Bereich „kondensierte Materie und Teilchenphysik.“
Danach ist „das Universum ein System holografischer Oberflächen [„surfaces“] innerhalb von Oberflächen, oder was wir eine verschachtelte Hierarchie von Oberflächen nennen können, wobei jede Oberfläche eine eigene ‚Welt‘ von Informationen darstellt.
Die fundamentalste Anordnung von Information ist das elementarste Quantum des Raumvolumens, der Planckraum, der eine variable Energie, die Vakuumenergie, beinhaltet. Es gibt eine fundamentale Beziehung zwischen Holografischem Prinzip und Vakuumenergie (Morgan, 2007), die eine Vielzahl nicht-lokaler Phänomene bedingt (Laszlo, 2004).
Holografische Oberflächen können in „Blätter [„sheets“] entfaltet werden, jedes Blatt folgt auf ein vorhergehendes Blatt, wobei jede Oberfläche oder jedes Blatt eine höhere Dimension von Information darstellt.
Neue Informationsdimensionen emergieren aus Oberflächen niedrigerer Ordnung, wenn sie sich in Oberflächen höherer Ordnung entfalten, die Informationen ihrer jeweiligen eigenen Gebiete [„areas“] beinhalten. Die höheren Dimensionen manifestieren Informationen der niedrigeren Dimensionen, die anfangs nicht vorhanden waren. Immer höhere Ordnungen der Quantenwellenfunktion existieren auf den Oberflächen von Welt in Welten. Information wird aus der Wellenfunktion, wenn man in der Hierarchie der ‚Welten‘ immer höher steigt, bis die höchste Dimension der Information erreicht wird, die Grenze [„boundary“] des Universums, die sich in ständiger, instantaner Interaktion mit den ‚Welten’darunter befindet. …
Information wird mit dem Verstreichen von Zeit nicht ausgelöscht. Zeit ist eine Abfolge universeller Grenzen [„boundaries“], beginnend mit dem Anfang des Universums. Wir wissen, dass nach der Relativitätstheorie, die Zeit bei Lichtgeschwindigkeit still steht. Also bei Licht und der Universellen Holografischen Grenze, die mit Lichtgeschwindigkeit nach außen expandiert wird, steht die Zeit still. Licht ist fundamental zeitlos. Es ist ewig.
An der Grenze des Universums gibt es nur das Jetzt.“8
- Artikel „Bekenstein bounds“, in Wikipedia, [Digitale Ausgabe], URL: https://en.wikipedia.org/wiki/Bekenstein_bound ↩︎
- Raphael Bousso, „The World as a Hologram“, Vortrag, Lawrence Berkeley National Laboratory, UCTV, 2006, in: YouTube, [Digitale Ausgabe], URL:https://www.uctv.tv/shows/The-World-as-a-Hologram-11140 ↩︎
- Jakob D. Bekenstein, „Informationen im holographischen Universum: Theoretische Ergebnisse über Schwarze Löcher deuten darauf hin, dass das Universum wie ein gigantisches Hologramm sein könnte. Dieser Artikel wurde ursprünglich unter dem Titel „Information in the Holographic Universe“ in SA Special Editions 17, 1s, 66-73 (Juli 2012) veröffentlicht. [Digitale Ausgabe], URL: https://www.scientificamerican.com/article/information-in-the-holographic-univ/ ↩︎
- W.1 Fischler an L. Susskind2, „Holography und Cosmology“, 1Theory Group,Department of Physics,University of Texas, Austin, TX 78712, 2Department of Physics, Stanford University Stanford, CA 94305-4060, in: arXiv:hep-th/9806039v2, 11 June 1998, p. 2, (Übersetzung d. Verf.) [Digitale Ausgabe], URL: https://arxiv.org/pdf/hep-th/9806039.pdf ↩︎
- Jakob D. Bekenstein, „Das holografische Universum“, Spektrum.de, Lexikon der Astronomie, 2003, [Digitale Ausgabe], URL: https://www.spektrum.de/magazin/das-holografische-universum/830304?gad_source=1 ↩︎
- Ib ↩︎
- „Boussos Überlegung beginnen mit irgendeiner geeigneten zweidimensionalen Fläche, sie kann kugelförmig geschlossen sein oder offen wie ein Blatt Papier. Von einer Seite dieser Fläche geht nun-von allen Punkten gleichzeitig und senkrecht zu der Fläche-ein kurzer Lichtpuls aus. Verlangt wird nur, dass die Lichtstrahlen zunächst konvergieren. Beispielsweise erfüllt von der Innenfläche einer Kugel abgestrahltes Licht diese Bedingung. Nun betrachtet man die Entropie der Energie und Materie, die von den imaginären Lichtstrahlen durchquert werden, aber nur bis sie beginnen, sich zu überschneiden.
Bousso vermutete nun, dass diese Entropie nicht größer sein kann als die Entropie der ursprünglichen Fläche, also ein Viertel dieser Fläche in Planck-Einheiten. Dies ist eine andere Methode, die Entropie zu bestimmen, als die ursprüngliche holografische Grenze. Boussos Grenze bezieht sich nicht auf die Entropie einer ganzen Region zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern auf die Summe lokaler Entropien zu verschiedenen Zeiten: Gezählt werden alle Teilregionen, die vom Lichtblitz der Oberfläche ‚beleuchtet‘ werden.
Boussos Grenze enthält andere Entropie-Limits als Spezialfälle, vermeidet aber deren Nachteile. Sowohl die universelle Entropie-Grenze als auch die holografische Grenze nach ‚t Hooft und Susskind können für isolierte Systeme, die sich nicht schnell verändern und keine starken Gravitationsfelder enthalten, aus der Bousso-Grenze abgeleitet werden. Wenn diese einschränkenden Bedingungen verletzt werden, etwa im Fall einer kollabierenden Materiekugel, die sich bereits innerhalb eines Schwarzen Lochs befindet, dann versagen diese Grenzen, während Boussos Grenze weiterhin gilt. Außerdem hat Bousso gezeigt, dass sich mit seiner Strategie die zweidimensionalen Flächen ausfindig machen lassen, auf denen Hologramme der Welt untergebracht werden können.“Vortrag, Raphael Bousso,“The World as a Hologram“, Lawrence Berkeley National Laboratory, UCTV, 2006, in: YouTube, [Digitale Ausgabe], URL:https://www.uctv.tv/shows/The-World-as-a-Hologram-11140 ↩︎ - Mark Germine, The Next Scientific Revolution: A New Theory of Mind, Evolution and Quantum Reality Based on Process Metaphysics, Psychoscience, Abstract,[Digitale Ausgabe], URL: https://201204151333_DPs_Vol2010-2011_9.pdf ↩︎

