5.6.3 Die von Neumann Entropie
Während die Bekenstein – Hawking Entropie (vgl. 5.6.2) eine Aussage über die Gravitationsentropie von Systemen wie Schwarzen Löchern macht, stellt die für die Quanteninformationstheorie bedeutsame Verschränkungsentropie John von Neumanns ein Maß dafür bereit, wie weit ein gegebenener Quantenzustand von einem reinen Zustand (Entropie = 0, maximal geordneter Zustand) entfernt ist oder anders ausgedrückt wie sehr verschränkt er ist.
Von einem reinen Quantenzustand spricht man, wenn das betrachtete Quantensystem in einem fest definierten Zustand ist, der durch einen Zustandsvektor Ψ aus dem Hilbertraum bestimmt wird. Dann findet man das System mit der Wahrscheinlichkeit p = 1 in dem Zustand Ψ vor.
Die von Neumannsche Verschränkungsentropie stellt also eine Übertragung der klassischen Entropie auf den Bereich der Quantenmechanik dar.
Betrachten wir ein Quantensystem ’n‘ bei der Temperatur ‚0‘ Grad, dann befindet sich das gesamte Quantensystem in seinem reinen Grundzustand |ψ⟩.
Die Dichtematrix (Dichteoperator) des reinen Zustandes lautet dann: ρtot = |ψ⟩⟨ψ| Die von Neumann Entropie des gesamten System ist Stot = -tr ρtot logρtot = 0, wobei tr die „Spur“ ist (vgl. unten „Ausspuren“)1
Man stelle sich nun vor, dass man das Quantensystem ‚Ψ‘ gedanklich in zwei Subsysteme A und B teilt (vgl. Abb 1).
Abb. 1 zeigt eine „Zeitscheibe“ (eine Raumregion mit konstanter Zeit) für eine Quantenfeldtheorie. „In einem Newtonschen Universum kann man eine Zeitscheibe (time slice) als Zustand des Universums zu einem bestimmten Zeitpunkt bezeichnen. Ein solches Universum besitzt genug Informationen, um seinen Zustand zu jedem vergangenen oder zukünftigen Zeitpunkt zu berechnen.
In einem ART – Universum hingegen wird die Raumzeit im Sinne des ADM Formalismus (3+1 Split) in ‚raumartige Hyperflächen‚ aufgespalten (‚Foliation‚), sodass die vierdimensionale Raumzeit nun aus 3 dreidimensionalen Hyperflächen besteht, auf denen der Zeitparanmeter ‚t‘ jeweils konstant, (i.e. jeweils gleich) ist
Eine Hyperfläche entspricht einer ‚Zeitscheibe (time slice)‘ Newtons. Hyperflächen sind ‚raumartig‚, weil zwei beliebige Punkte in der Metrik durch einen „‚raumartigen‘ Pfad verbunden sind. Da sie keine kausale Verbindung besitzen sind Prognosen für die Zukunft möglich.“
Die Zeitscheibe in Abb. 1 ist „… in zwei verschränkte Regionen A und B aufgeteilt. Die Verschränkungsentropie SA ist die von Neumann Entropie der reduzierten Dichtematrix pA, die die Erwartungswerte von Observablen enkodiert, die in Region A sitzen.“ 2
Dementsprechend kann der Hilbertraum H (i.e. der mehrdimensionale komplexwertige Vektorraum des Quantensystems) als direktes Produkt zweier Unterrräume Htot = HA ⊗ HB geschrieben werden, wobei Htot den Hilbertraum des gesamten Quantensystems Ψ darstellt und HA bzw. HB die Teilhilberträumen der Subsysteme A bzw. B bezeichnen (vgl. Abb. 2).

Abb. 2 zeigt auf der linken Seite das ungeteilte Quantensystem einer Spinkette, rechts seine Aufteilung in zwei Subsysteme, A und B.3
Ein Beobachter, dem z. B. nur das Subsystem A zugänglich ist (vgl. Abb. 1), hat den Eindruck, dass das gesamte System durch die reduzierte Dichtematrix pA beschrieben wird: ρA = trB ρtot, wenn man die partielle Spur (= die Summe über die Diagonalelemente der Dichtematrix) nur über den Hilbertraum HB bildet.
Nun kann man die Verschränkungsentropie des Subsystems A als von Neumann Entropíe der reduzierten Dichtematrix ρA bilden: SA = – trA ρA log ρA (Weitere (mathematische) Erläuterung siehe Fussnoten 1 und 3). Durch das partielle „Ausspuren“ eines Subsystems erhält man also das andere Subsystem. Die Spur (engl. tr = trace) einer quadratische (n x n) Dichtematrix entspricht der Summe der Werte der Hauptdiagonale und ist für die (n x n) Dichtematrix ρ = 1.
Sie stellt die Wahrscheinlichkeit dar, das System im entsprechenden Zustand |n⟩ zu finden.Man kann sich das durch Ausspuren des Subsystems B erhaltene Subsystem SA intuitiv auch als die Entropie für einen Beobachter vorstellen, der nur Zugang zu dem Subsystem A hat und keinerlei Signale von B erhalten kann (vgl. Abb. 3). So gesehen ist das Subsystem B für einen Beobachter, der außerhalb in dem Subsystem A sitzt, dann analog zu dem Inneren des Ereignishorizontes eines Schwarzen Lochs zu sehen.4
Die von Neumannsche Verschränkungsentropie ist also ein Maß für die Verschränkung zwischen z. B. zwei Quanten – Subsystemen, die ein zusammengesetztes, zweiteiliges Quantengesamsystem (Qbit) bilden. Im Fall eines reinen Quantenzustandes des zusammengesetzten Systems ist es möglich eine reduzierte Dichtematrix abzuleiten, d.h. die Informationen über den Zustand eines Subsystems (des zusammengesetzten Systems) zu erhalten (vgl. 5.4: Qubit und Dichtematrix5.

Abb. 3. zeigt ein gleichmäßig beschleunigtes System. Die Darstellung beschreibt eine Minkowski-Raumzeit Region Z > ∣ t∣, abgedeckt duch die Koordinaten ‚τ‘ [die Eigenzeit eines „vertrauenswürdigen Beobachters“ (fiducial observer), der seine eigene Uhr besitzt, bei ‚ζ‘ = 0 [ruhend ist] und ‚ζ‘ , [den räumlichen Abstand entlang der Richtung der Beschleunigung] misst, gemäß des Ruhezustandes des Beobachters).“ Die Koordinaten „X“ und „Y“ wurden weggelassen. Diese Darstellung wird gemeinhin als „Rindler Keil“ (‚Rindler wedge‘) bezeichnet.
Die (dicken) blauen Kurven repräsentieren die (ζ = konstant) Weltlinien gleichmäßig beschleunigter Beobachter ‚im Ruhezustand‘ in Beziehung zu einander, während die gestrichelten (schwarzen) Linien τ = konstante Hyperflächen repräsentieren, die in Übereinstimmung mit den Beobachtern Gleichzeitigkeit enkodieren.
Alle konstanten ζ Kurven nähern sich Η + und Η – [den Rindler Horizonten] asymptotisch an, wobei sie widerspiegeln, dass dieses gleichmäßig beschleunigte System nicht die ganze Raumzeit abdeckt. Zudem gibt es eine Raumzeitregion, die Beobachtern in diesem System kausal nicht zugänglich ist, für die Η + einen (Zukunfts) Ereignishorizont darstellt.“6
- Tatsuma Nishiokaa, Shinsei Ryu and Tadashi Takayanagi, Holographic Entanglement Entropy: an Overview, [Digitale Ausgabe], URL: arXiv:0905.0932v2 [hep-th] 15 Jun 2009; Ausspuren: “ Wie funktioniert das Ausspuren? Verschränkte Systeme: Stellen Sie sich zwei miteinander verschränkte Quantenteilchen vor, die ein gemeinsames Quantensystem bilden.
Dichtematrix des Gesamtsystems: Das gesamte System wird durch eine Dichtematrix beschrieben, die alle möglichen Zustände und ihre Wahrscheinlichkeiten enthält.
Reduzierung auf ein Teilsystem: Wenn Sie nur an einem der beiden Teilchen interessiert sind, „verfolgen“ Sie dessen Zustände aus der Dichtematrix des Gesamtsystems.
Mathematische Operation: Mathematisch wird dies durch die sogenannte Spur (engl. trace) des Gesamtsystems durchgeführt, indem die Zustände des „weggelassenen“ Systems als Basis verwendet werden.
Ergebnis: Das Ergebnis ist die reduzierte Dichtematrix für das einzelne Teilsystem, die die Information über die Zustände dieses Teilsystems widerspiegelt, als ob die anderen Systeme nicht existieren würden.
Wozu dient das Ausspuren? Analyse von Teilsystemen: Es ist nützlich, um die Eigenschaften und das Verhalten einzelner Systeme zu verstehen, die Teil eines größeren, verschränkten Systems sind.
Beispiele:Das Ausspuren wird beispielsweise verwendet, wenn man die Wellenfunktion eines Teilchens in einem Zweiteilchensystem isoliert, ohne die Information des zweiten Teilchens zu berücksichtigen. Übersicht mit KI: [Digitale Ausgabe , URL: ]https://www.google.com/search?q=Auspuren+%28Quantenmechanik%29&sca_esv=083780a269a3263d&ei=9em-aKqSDYGN9u8Psfv06Qc&ved=0ahUKEwjq4KfrscmPAxWBhv0HHbE9PX0Q4dUDCBA&uact=5&oq=Auspuren+%28Quantenmechanik%29&gs_lp=Egxnd3Mtd2l6LXNlcnAiGkF1c3B1cmVuIChRdWFudGVubWVjaGFuaWspMgUQIRigAUjARlDcBVj6QHABeACQAQCYAYcCoAGJD6oBBjEwLjcuMbgBA8gBAPgBAZgCE6ACuBDCAggQABiwAxjvBcICCxAAGLADGKIEGIkFwgILEAAYgAQYsAMYogTCAgUQABjvBcICCBAAGKIEGIkFwgIIEAAYgAQYogTCAgcQIRigARgKmAMAiAYBkAYFkgcGNy4xMS4xoAfWILIHBjYuMTEuMbgHrhDCBwgwLjIuMTMuNMgHdg&sclient=gws-wiz-serp ↩︎ - Ibd.pp. 5seq. ↩︎
- Tadashi Takayanagi, Holographic Entanglement Entropy and Emergent Spacetime, Yukawa Institute for Theoretical Physics (YITP), Kyoto University, Based on arXiv:1208.3469 (JHEP10(2012)193) with Masahiro Nozaki (YITP, Kyoto) and Shinsei Ryu Ryu (Illinois) and also on arXiv:1212.XXXX with Jyotirmoy Bhattacharya (Kavli IPMU, Tokyo), Masahiro Nozaki (YITP, Kyoto) and Tomonori Ugajin (Kavli IPMU, YITP), pp. 1 seqq., [Digitale Ausgabe]URL: https://members.ift.uam-csic.es/W50/talks/Tadashi.pdf ↩︎
- Artikel „Bekenstein-Hawking-Entropie“, in: Wikipedia, [Digitale Ausgabe], URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Bekenstein-Hawking-Entropie – vgl. auch Artikel „Bekenstein-Hawking-Entropie“, in: Physik für Alle, [Digitale Ausgabe], URL: https://physik.cosmos-indirekt.de/Physik-Schule/Bekenstein-Hawking-Entropie – (Übers. d. Verf.). Die mathematische Prozedur lautet: Wenn ein (Quanten)Zustand, der zwei Subsysteme A und B beschreibt, |ψAB⟩ = |ΦA⟩|ΦB⟩ – separabel, i.e. nicht verschränkt ist, dann handelt es sich bei der reduzierten Dichtematrix ρA = TrB|ψAB⟩ ⟨ ψAB⟩| = |ΦA⟩⟨ψA| um ein reines System , d.h. die Entropie des Zustandes ist Null. Entsprechend ist die Entropie der Dichtematrix B ebenfalls Null. Eine reduzierte Dichtematrix mit einer Nicht Zero Entropie ist daher ein Hinweis auf eine Verschränkung in dem System. ↩︎
- S. Ryu and T. Takayanagi, „Holographic derivation of entanglement entropy from AdS/CFT“, in: Phys. Rev. Lett.96 (2006) [Digitale Ausgabe], URL: https://www-spires.slac.stanford.edu/spires/find/hep/www?j=PRLTA%2C96%2C181602; – vgl. auch S. Ryu and T. Takayanagi, „Aspects of holographic entanglement entropy“, Institute of Physics Publishing for SISSA, 2006, [Digitale Ausgabe], URL: https://iopscience.iop.org/article/10.1088/1126-6708/2006/08/045.pdf; Juan Maldacena, Entanglement, geometry and the RyuTakayanagi formula, Kyoto, 2013, [Digitale Ausgabe], URL: https://www.ias.edu/sites/default/files/sns/RyuTakayanagiKyoto.pdf ↩︎
- Cesar A. Uliana Lima, Frederico Brito, José A. Hoyos Daniel A. Turolla Vanzella, Probing the Unruh effect with an acceleratedextended system, Nature Communications, (2019) 10:30, S. 4, [Digitale Ausgabe], UFRL: https://www.nature.com/articles/s41467-019-10962-y; vgl. auch Mehdi Ahmadi, Andrzej Dragan, Alexander R.H. Smith, „Massive Unruh particles cannot be directly observed“, in: Physical Review D: Particles and fields, 2017, [Digitale Ausgabe], URL: https://www.researchgate.net/publication/321095965_Massive_Unruh_particles_cannot_be_directly_observed ↩︎

