5.6.9.3 Anfangsbedingungen der Inflation und
und asymptotische Zukunft des holografischen Multiversums
1. Anfangsbedingungen der Inflation
J. Garriga und A. Vilenkin begründen ihre These der Existenz eines holografischen Multiversums mit der Aussage, dass die „Anfangsbedingungen zu Beginn der Inflation des Universums für die Formulierung von Voraussagen keine Rolle spielen.“
Sie erklären diese Auffassung mit der Feststellung, „dass [sich] der überwiegende Teil des Raumzeitvolumens des frühen, sich inflationär ausdehnenden Multiversums, in der asymptotischen Zukunft befindet, wo die Distribution der Volumina unterschiedlicher Vakua (und der darin befindlichen Prozesse) sehr gut durch die Attraktor Lösung beschrieben werden kann, für die Anfangsbedingungen keine Rolle spielen.“1
Unter „Attraktor Lösung“ versteht man „dynamische Bedingungen unter denen Skalarfelder, die sich ohne feinabgestimmte Anfangsbedingungen entwickelt haben, einem bestimmten Verhalten annähern. .. In der Theorie dynamischer Systeme beschreibt Attraktorverhalten Situationen, in denen eine Menge von Phasenraumpunkten sich in einen bestimmten Bereich hinein entwickeln und ihn nicht mehr verlassen.“2
2. Die Zukunftsgrenze und der Skalenfaktor CutOff.
Garriga und Vilenkin vertreten weiterhin die These, „dass die Dynamik der Stringlandschaft [landscape] auf einer euklidischen Feldtheorie enkodiert ist, die auf einer Gruppe von Punkten definiert ist, die alle ewigen Punkte in c+ [der zukünftigen kausalen Grenze, vgl. auch „Verstehen von kausalen Diamanten und thermalen Effekten“ ] umfassen und nicht nur diejenigen, die zu Σ2 gehören [der Grenze (boundary) einer einzelnen Raumblase, mit der Topologie einer 2-Sphäre [vgl. Abb. 1] , auf der eine euklidische Feldtheorie enkodiert ist].“

Abb. 1 zeigt eine 2-Sphäre. Unter einer Sphäre … versteht man in der Mathematik die Oberfläche einer Kugel und die Verallgemeinerung davon auf beliebig hohe Dimensionen. Von erheblicher Bedeutung für viele Untersuchungen ist hierbei die Einheitssphäre, also die Oberfläche der Einheitskugel im n-dimensionalen euklidischen Raum. Allgemeiner wird, insbesondere in Topologie und Differentialgeometrie, auch jeder zur Kugeloberfläche homöomorphe topologische Raum als Sphäre bezeichnet, siehe Topologische Sphäre.3
Garriga und Vilenkin stellen im Folgenden fest, dass der von ihnen gewählte Maßstab eine enge Beziehung „zu dem sogenannten Skalenfaktor Cutoff [im Bulk] aufweist, wo nur die Prozesse berücksichtigt werden, die vor einer festgelegten skalaren Faktor Zeit ac geschehen sind, um dann den Grenzwert ac → ∞ zu bilden zur Bestimmung der Wahrscheinlichkeiten für die Prozesse, die sich ereignen. .. Ihre Hypothese lautet, dass die Bulk Dynamik eines ewig inflationären Universums durch eine euklidische Fedldtheorie repräsentiert wird, die auf der Grenze [boundary] Σ2 des Minkowski ‚Hutes‘ [‚hat‘] lebt (vgl. Abb. 4), die die Zukunft-Null-Unendlichkeit der Tasche [pocket] darstellt. Für eine einzelne Blase [e.g. Baby Universum] hat diese Grenze [boundary] die Topologie einer 2-Sphäre. ..4
Ab. 2 Könnten wir ein Baby Universum im Laboratorium erschaffen? @telescoper reviews „A Big Bang in a Little Room“, in Physics World,
Die zukünftige kausale Grenze [boundary] c+ des Multiversums kann als Menge von Endpunkten nicht ausdehnbarer zeitartiger Kurven [Bewegungskurven von Masseteilchen, die sich mit Unterlichtgeschwindigkeit bewegen.] definiert werden. Genauer gesagt, ‚Punkte‘ oder Elemente von c+ werden definiert als die chronologische Vergangenheit nicht ausdehnbarer zeitartiger Kurven. Zwei Kurven mit derselben Vergangenheit definieren also denselben ‚Endpunkt‘ auf c+
Die Zukunftsgrenze umfasst Punkte unterschiedlicher Art (vgl. Abb. 3). In einem inflationären Multiversum verlassen die meisten zeitartigen Kurven schließlich die sich aufblähenden Regionen und fallen in eine der sich nicht aufblähenden Vakua, die wir als Endvakua bezeichnen. Endvakua können abnehmende oder negative Vakuumenergie besitzen und werden als Minkowski-Vakuum (i.e. das Vakuum eines inertialen Beobachters) respektive ein Anti-De-Sitter (AdS) Vakuum bezeichnet.
Blasen aus AdS Vakua entwickeln eine raumartige Singularität oder einnen „Big Crunch„ in ihrem Inneren und zeitartige Kurven treffen diese Singularität innerhalb endlicher Eigenzeit. Die korrespondierenden Endpunkte gehören zu dem singulären Teil von c+.
Zeitartige Kurven, die in ein metastabiles Minkowski Vakuum eintreten, fallen schließlich ebenso in eines der AdS Vakuua und tragen zu der singulären Grenze bei. Supersymmetrische Minkowski Vakuua sind vollständig stabil und zeitartige Kurven, die in sie eintreten, spannen die lichtartigen und die zeitartigen Zukunftsunendlichkeiten der konformen Grenze des Minkowskiraums auf (vgl. 5.5.2.1 und 5.6.6.3). Sie werden gewöhnlich als ℑ+ und i+ bezeichnet (vgl. Abb. 3).“5

Abb. 3 zeigt die „kausale Struktur eines inflationären Multiversums. Die vertikale Richtung stellt die Zeit dar und die horizontale Richtung ist der Raum. Unterschiedliche Blasen nukleieren und beginnen nahe der Lichtgeschwindigkeit zu expandieren. Blasen mit positiver Vakuumenergie (DE-Sitter Blasen) dehnen sich ewig aus. Die Inflation endet in Blasen mit abnehmender oder negativer Vakuumenergie (Minkowski respektive AdS Blasen.). .. Die konforme Zukunftsgrenze der Minkowski Blasen hat die Form eines ‚Hutes'[‚Hat‘] .. , während die raumartige Singularität an der Zukunftsgrenze einer AdS Blase durch eine unterbrochene Linie dargestellt ist.“ (vgl. 5.5.3.2)6
Abb. 4 Klebt unser Universum auf einer expandierenden Blase? (Bild: Suvendu Giri)
Wie bereits erwähnt „bleiben einige zeitartige Kurven für immer in einer sich inflationär ausdehnenden Region des Raums, weil die Inflation ewig ist. Die entsprechenden Endpunkte heißen ewige Punkte und man kann sie nach unterschiedlichen Typen klassifizieren. Zum Beispiel gibt es zeitartige Geodäten, die nach einer endlichen Reihe von Transitionen für immer in einem gegebenen inflationär expandierenden Vakuum bleiben.7

Abb. 4 stellt die „Zukunftsgrenze [boundary] einer Minkowski Blase dar. Sie wird als ‚Hut‘ [‚hat‘] dargestellt, der aus der Verbindung aus einer Zukunfts-Null Unendlichkeit ℑ+ [lichtartige Zukunftsunendlichkeit] und der zeitartigen Zukunftsunendlichkeit i+ besteht. Die Weltlinie eines ‚Zensusnehmers‘ [‚Census Taker‚], die bei i+ endet ist ebenfalls dargestellt.“8 Der Begriff „Census Taker‘ (CT) wurde von dem Stanford Physiker Leonard Susskind geprägter und bezeichnet einen Beobachter an einem Punkt der kausalen Region (causal patch), der in die Vergangenheit zurückschaut und Daten sammelt. Im Verlauf der Zeit sieht der CT mehr und mehr Objekte (Galaxien, Wasserstoffatome etc.) in seiner kausalen Region (‚causal patch‘ bzw. causal diamond‘, vgl. 5.6.6.2). Schließlich erreicht er (und alle andere CTs der kausalen Region) einen Punkt ‚a‘, den Susskind „Census“ Bureau“ (CB) nennt, wo die gesammelten Daten verglichen werden können. In einem metastabilen DE-Sitter Raum ist das CB (der Punkt ‚a‘) mit der Spitze des „Hutes“ (‚Hat‘) identisch.9
- J. Garriga and A. Vilenkin, Holographic Multiverse, Universitat de Barcelona, Tufts University, Medford, 2009, pp. 4, 10-11 [Digitale Ausgabe], URL: https://arxiv.org/pdf/0809.4257.pdf#page=2&zoom=auto,-109,13 ↩︎
- Ibd., pp. 5 seq. ↩︎
- Artikel „Sphäre (Mathematik)“, in: Wikipedia, [Digitale Wiedergabe], URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Sph%C3%A4re_%28Mathematik%29 ↩︎
- J. Garriga and A. Vilenkin, Holographic Multiverse, Universitat de Barcelona, Tufts University, Medford, 2009, pp. 5 seq. [Digitale Ausgabe], URL: https://arxiv.org/pdf/0809.4257.pdf ↩︎
- Ibd, pp. 6 et seq. ↩︎
- Ibd., p. 8 ↩︎
- Ibd. ↩︎
- Ib. p. 9; vgl.auch Leonard Susskind, The Census Taker’s Hat, School of Physics, Korea Institute for Advanced Study (KIAS) and Department of Physics, Stanford University, 2007, pp. 3 seqq., [Digitale Ausgabe], URL: https://arxiv.org/pdf/0710.1129.pdf ↩︎
- Ibd. ↩︎


