4.4 Kohärenz und Dekohärenz
„Üblichere Ansichten [über die Entwicklung der Wellenfunktion, vgl. 4.3] gehen allerdings dahin, über Interaktion mit makroskopischen Objekten Reduktion bzw. Dekohärenz zu erklären.
Sofern der Begriff „makroskopisch“ physikalisch präzisierbar ist (dies ist durchaus kontrovers), scheint damit – wie Kritiker von Theorien des „Kollaps qua Bewusstsein“ einwenden – vermieden, dass außerphysikalische Komponenten in die Quantenmechanik importiert werden. Zudem sei, so viele Kritiker, der physikalisch nicht präzisierbare Begriff „Bewusstsein“ notorisch unklar, beispielsweise hinsichtlich der Kriterien dafür, wann Bewusstsein vorliegt.“1
Quantenüberlagerung (Superposition) beruht auf der Interferenz von Quanteninformationen (vgl. 3.2.). Die Voraussetzung von Interferenz wiederum beruht auf einer Konstanz der „Phasenverschiebung“ (Kohärenz), i.e. der räumlichen Differenz zweier Wellenzüge (Wellenpakete).
„Kohärenz ist die Voraussetzung für das Auftreten von Interferenz. Während es möglich ist, Schallwellen oder von elektrischen Sendern emittierte Wellen auf praktisch unbegrenzte Zeit in sich kohärent zu halten, werden bei der Emission von Licht nur mehr oder weniger lange, in sich kohärente Wellenzüge ausgestrahlt.“
Für die Quantentheorie Everetts spielt die Dekohärenz eine bedeutende Rolle, ein Konzept, dass der Heidelberger Physiker Hans Dieter Zeh entwickelt hat.
Makroskopische Körper wechselwirken intensiv mit ihrer Umgebung, was zu „Dekohärenz“ führt, der Enstehung „eines verschränkten (nichtlokalen) Quantenzustandes zwischen System [Quantenteilchen] und der (physikalischen) „Umgebung“ mit ihren vielen Freiheitsgraden (kosmische Strahlung, Sonnenlicht, Luftmolekühle, etc) (vgl. 3.2.).
Die Folge ist, dass am (gemessenen) lokalen System keine Quanteninformationen über die Interferenzen in der Welle mehr vorliegen, obwohl diese im Gesamtsystem der superponierten Quantenwelle weiterhin existent sind.“2
„Das Messergebnis enthüllt lediglich ein Qubit (z.B. |spinoben oder |spinunten), nicht aber die ungeheure Vielfalt der anderen überlagerten Spinvarianten des Gesamtsystems. Deköhärenz, d. h. die Lokalisierung der auf Grund der zahllosen Einflüsse (Störungen) durch die „Umgebung“ entstandenen reduzierten Quantenwelle (reduzierte Dichtematrix) führt zu der „Trennung“ (bzw. besser „Entfaltung“) separierter Zweige, die sich als verschränkte Teile der „universellen Wellenfunktion“ Everetts (der Wellenfunktion des Universums) – zusammen mit ihrem jeweiliegen Beobachter – deterministisch weiterentwickeln.“3
- Artikel „Wigners Freund“, in: Wikipedia, [Digitale Ausgabe], URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Wigners_Freund ↩︎
- Markus Michael,Die Vielweltentheorie, Ausarbeitung zum Seminarvortrag vom 18.05.2011, Universität Münster, Physik, S. 2, [Digitale Ausgabe], URL: https://www.uni-muenster.de/Physik.TP/archive/fileadmin/lehre/teilchen/ss11/Vielweltentheorie.pdf ↩︎
- Artikel „Kohärenz“, in: Lexikon der Physik, Spektrum der Wissenschaften, [Digitale Ausgabe], URL:https://www.spektrum.de/lexikon/physik/kohaerenz/8123 ↩︎
