4.3 Interner und externer Beobachter
Für das Verständnis der Everettschen Viel-Welten Theorie ist die Unterscheidung zwischen „externem“ und „internem Beobachter“ von großer Bedeutung.
„Der externe Beobachter betrachtet ein isoliertes System von aussen und findet es mit entsprechender Wahrscheinlichkeit in einem seiner Eigenzustände vor – z. B. Schrödingers Katze (vgl. 3.2 , Abb. 1) im Zustand |tot> oder |lebendig>. Eine externe Beobachtung impliziert also immer einen Kollaps der Wellenfunktion, wie es die Kopenhagensche Deutung behauptet.
Des Weiteren geht Everett allerdings davon aus, dass jeder externe Beobachter eines isolierten Systems selbst wiederum Teil eines grösseren isolierten Systems ist.“1
Abb. 1 Eugene Wigner, 1962
„Das Gedankenexperiment Wigners Freund [Hervorhebung d. Verf.] verdeutlicht die Tatsache, dass die physikalische Realität für unterschiedliche Beobachter in der gleichen Welt unterschiedlich ist. Dies wurde .. experimentell bestätigt durch Proietti et. al. (2019).“ 2
In diesem Gedankenexperiment beschreibt der amerikanisch – ungarische Physiker Eugene Wigner (1902 – 1995) folgende Situation eines Beobachters (i.e. Wigners):
Angenommen, nicht nur eine [Schrödinger] Katze [Abb. 3], sondern auch ein Beobachter, Wigners Freund, [vgl .unten Abb. 2] befindet sich in einer Anlage, die per Quantenexperiment den Tod der Katze auslöst oder dies nicht tut. 3 Spätestens, sobald ein externer Beobachter (Wigner) von ihm das Messergebnis erfährt, gibt es eine eindeutige Beschreibung des gemessenen Systemzustands – so viel scheint unstrittig.
Unklar ist aber, ob die Reduktion [Kollaps der Quantenwelle] schon zuvor eintrat – nämlich als Wigners Freund sie (bewusst) sah. Würde sich an Stelle von Wigners Freund nämlich ein materielles Gerät befinden, wäre dessen Zustand verschränkt mit jenem der Katze und des (quantenmechanischen) Auslösers ihres Todes. Ein solches Gerät wäre also selbst in einem Superpositionszustand [vgl. 3.2]. Aus Sicht des zweiten Beobachters findet die Reduktion aber erst später statt. Da beide Beobachter gleichartig sind, ist dies paradox.“ 4

Abb. 2 zeigt „[David] „Deutschs Version des Gedankenexperiments ‚Wigners Freund‘. Ein Beobachter (Wigners Freund) führt in einem versiegelten Laboratorium ein Stern-Gerlach Experiment an einem Spin 1/2 Teilchen durch. Das Ergebniss, entweder ‚spin up‚ oder ‚spin down‘ wird im Laboratorium von Wigners Freund [Systems 1] und dessen Gedächtniss [System 2] aufgezeichnet. Ein Super-Beobachter (Wigner), der sich außerhalb des isolierten Laboratoriums, in dem das Experimemt durchgeführt wird befindet, kann eine Quantenmessung am Gesamtsystem – Spin 1/2 Teilchen + Laboratorium des Freundes – durchführen. Er beschreibt das gesamte Experiment als unitäre Transformation, die zu einem umfassend verschränkten Zustand zwischen dem System und dem Laboratorium des Freundes führt. Dem Freund ist erlaubt eine Botschaft zu übermitteln, die nur beinhaltet, ob er ein bestimmtes Ergebnis wahrnimmt oder nicht, ohne auf irgendeine Weise das tatsächliche Ergebnis mitzuteilen.“ 5.
„Die Grenze zwischen Materiellem und Immateriellem wäre nach Wigner eben jene Grenze von Quantenmechanik zu klassischer Mechanik, die man ‚Heisenbergschen Schnitt‚ nennt. Eine solche Grenze wird üblicherweise nicht formuliert, sondern materielle Systeme und ‚bewusste Beobachter‘ werden prinzipiell gleich behandelt. Da aber das Messproblem damit schlicht offengehalten wird und der bewusste Beobachter zumindest die letzte Station zwischen Superposition und Reduktion ist und einige Theoretiker ohnehin dualistische oder idealistische bzw. konstruktivistische Vorstellungen haben, wurde seit von Neumann von einigen Interpreten dem Bewusstsein eine konstitutive Rolle für den Quantenkollaps bzw. überhaupt die Erzeugung von Realität zugewiesen. Ein bekannter Vertreter derartiger Theorien ist beispielsweise Henry Stapp.[4].“ 6
- Phillip Ball, „Why the Many Worlds Interpretation has many problems,“ Quanta Magazine, [Digitale Ausgabe], URL: https://www.quantamagazine.org/why-the-many-worlds-interpretation-of-quantum-mechanics-has-many-problems-20181018/ „This ‚universal wave function‘ … begins as a combination, or superposition of all possible states of its constituent particles.
As it evolves, some of these superpositions break down, making certain realities distinct and isolated from one another. In this sense worlds are not exactly „created“ by measurements; they are just separated. This is why we shouldn’t, strictly speaking, talk of the „splitting“ of worlds (even though Everett did), as though two have been produced from one. Rather we should speak of thje un raveling of twol realities that were previously just possible futures of a single reality.“ ↩︎ - Andrew Soltau, Multi-Solipsism: The Physical Ontology of the Many-Minds Concept, Researchgate.net, p. 1, [Digitale Ausgabe], URL: https://www.researchgate.net/publication/338282217/ ↩︎
- Phillip Ball, „Why the Many Worlds Interpretation has many problems,“ Quanta Magazine, [Digitale Ausgabe], URL: https://www.quantamagazine.org/why-the-many-worlds-interpretation-of-quantum-mechanics-has-many-problems-20181018/ ↩︎
- Ib. ↩︎
- Markus Michael Die Vielweltentheorie, Ausarbeitung zum Seminarvortrag vom 18.05.2011, Universität Münster, Physik, S. 2 f.,[ Digitale Ausgabe], URL: https://www.uni-muenster.de/Physik.TP/archive/fileadmin/lehre/teilchen/ss11/Vielweltentheorie.pdf ↩︎
- Artikel „Wigners Freund“, in: Wikipedia, [Digitale Ausgabe], URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Wigners_Freund ↩︎

