7.3.2.10 Versuch einer Bewertung der holografischer
Many-Minds Theorie Soltaus
- Das Prinzip der relativen Ontizität
Soltau geht in der Darstellung seiner Many-Minds Theorie ähnlich wie Atmanspacher/Primas von einer Unterscheidung logisch inkompatibler Wirkungsbereiche
(„domains“) aus (dem Prinzip der relativen Ontizität bzw. eines „ontologischen Dualismus„), Er bezeichnet sie (nach Max Tegmark) als „Vogelperspektive“ bzw. „Außen-Ansicht“ bezeichnet (vgl. „ontische Realität“ nach Atmanspacher/Primas oder „Endowelt“ nach Hans Primas), zum andern als „Froschperspektive“ bzw. „Innenansicht“ (vgl. epistemische Perspektive nach Atmanspacher/Primas oder „Exowelt“ nach Primas).
Soltau vertritt damit also, wie Atmanspacher und Primas, das Konzept einer dualistischen Realität (einer dualistischen Quantenontologie), die jedoch nicht dem traditionellen Körper-Geist Dualismus entspricht, sondern sich auf zwei ontologisch unterschiedliche Wirkbereiche des quantenmechanischen Bezugsrahmens bezieht.
Soltaus Anwendung des Prinzips der relativen Ontizität liegt die Bedeutung der „Komplexität“ des menschlichen Gehirns zugrunde.1
2. Die Bedeutung der „dreidimensionalen Welt“
Es wird allerdings bei Soltau nicht ganz klar, was er mit der „wirkliche[n] dreidimensional[n] Welt“ meint, denn er stellt fest, dass das „virtuelle Konstrukt des Gehirns, [die] dreidimensionale Wiedergabe einer virtuellen Realität, [.. wird ] mental auf die wirkliche dreidimensionale Welt projiziert.“ wird.
Soltau scheint die Existenz einer „wirklichen dreidimensionalen Welt“ zu unterstellen, die unabhängig von der Projektion der vom Gehirn konstruierten „virtuellen Realität“ besteht, wobei jedoch nach Soltau nur die universelle Quantenwelle der „wirklichen physikalischen Realität“ (BZ 1) entspricht.
Mithin müsste nach dem Konzept Soltaus die dreidimensionale „physikalische Umgebung“ des Protagonisten als „Beobachter“, i.e. die „wirkliche dreidimensionale Welt“, qua Korrelationen zwischen einer spezifischen „funktionalen Identität“ des Beobachters und seiner korrelierten spezifischen physikalischen Umwelt nicht auch Teil des virtuellen Konstruktes des Gehirns sein?
Auch Mathew Donald stellt fest, dass die „Wirklichkeit“ des Individuums aus der Korrelation zwischen Beobachter (Individuum) und „Umwelt“ resultiert ( vgl. 7.3.2.6 Matthew J. Donalds Version der Many-Minds Interpretation der Quantenmechanik.)
3. Welche konkrete „Welt“ der “ „Weltsuperposition“
wird in einem subjektiven QMBR initiiert?
Offen bleibt auch die Frage, welche konkrete Welt der „Weltsuperposition„, d. h. welche spezifische funktionale Identität eines Beobachters und welche damit korrelierte spezifische physikalische Umgebung (i.e. die „wirkliche dreidimensional Welt“) in einem subjektiven quantenmechanischen Bezugsrahmen instantiiert werden. Es wäre eine Definition der von Soltau mit Recht festgestellten „Komplexität“ des Gehirns vonnöten, d.h. ein Kriterium, nach dem das Gehirn eines konkreten Beobachters seine subjektive Welt „auswählt“ und das „virtuelle[s] Konstrukt .. [seines] Gehirns, [s]eine dreidimensionale Wiedergabe einer virtuellen Realität, [..] mental auf die wirkliche dreidimensionale Welt projiziert …“ 2
4. Der psychophysische Parallelismus bedeutet eine
Relation zuviel
Liegt die Erklärung vielleicht in dem aus dem 19. Jhd. überkommenen Prinzip des „psychophysischen Parallelismus“ (PPP)? Dieser hat sich in drei unterschiedlichen Lösungen des „Geist-Körper“ Problems manifestiert:
i) Zum einen dem „funktionalen psychophysischen Parallelismus“ (z.B. Gustav Fechners, Professor für Physik und Philosophie, 1801-1887), der als ihn als „empirisches Postulat“ bzw. „methodische Forschungsregel“ („empirischer Parallelismus“) versteht.
Fechner findet die Beziehung zwischen Körper und Geist darin, dass „in einem lebendigen menschlichen Körper mentale Ereignisse oder Prozesse regelmäßig und gesetzmäßig von physischen Ereignissen und Prozessen im Gehirn begleitet werden. Sie sind „funktional abhängig.“ Diese „funktionale Abhängigkeit“ oder „Korrelation„“ bedeutet jedoch nicht eine kausale Beziehung, die „weder behauptet noch verneint wird.“ Der „funktionale psychophysische Parallelismus“ ist also „neutral im Sinne einer kausalen Interpretation.“
(ii) Eine zweite, eher metaphysische Variante („Identitätstheorie„) des PPP versucht „eine metaphysische Erklärung für die behauptete Korrelation zu liefern.“ Fechner nennt sie „Identitätssicht“. Sie besagt, dass ein Mensch „als eine einzige Entität“ betrachtet werden muss, „nicht als ein Konglomerat von zwei Substanzen“ wie bei Descartes ( vgl. 2.1 Der Dualismus von Materie und Geist).
Die geistige Eigenschaft des Menschen wird „aus der Perspektive der Entität selbst“ von Innen wahrgenommen. Die physische Eigenschaft der Entität wird von einer äußeren Perspektive, „die nicht die Sicht der Entität selbst darstellen“ muss, wahrgenommen. Diese Sichtweise ist nicht „neutral oder interaktionistisch“ [„Theorie der doppelten Aspekte„].
(iii) Der „kosmologische psychophysischen Parallelismus“ behauptet, „dass sogar unorganische Prozesse eine psychische Seite besitzen.“ Damit nähert sich diese Version des PPP stark dem [Pan]Psychismus an (vergl. auch 7.2.6 Gradueller Panpsychismus).3
In „The World Hologram: The Holographic Universe is Everett’s Relative State, The Measurement Problem is a Category Error of Logical Type“ stellt Soltau fest:
„Somit muss diese Erklärung [i. e. Everetts Beschreibung des Kollapses der Quantenwelle als ’subjektives Epiphänomen‚ bzw. sein Verzicht auf eine Ontologie] gemäß der physikalistischen Anforderung an den einen psychophysikalistischen Parallelismus offensichtlich scheitern.“ (vgl. weiter unten). Er zitiert in diesem Zusammenhang auch eine entsprechende Aussage van Neu

Abb. 1 zeigt „Die Spaltung des relativen Zustands‘ bei einer Beobachtung. Prozess 2 ist die lineare Zeitentwicklung der Superposition der Welten, die den relativen Zustand ausmachen. Prozess 1 ist die Spaltung desa relativen Zustandes in multiple relative Zustände. Jede Wahrscheinlichkeit repräsentiert die Menge der Welten, die ein spezifisches Resultat beinhalten. Abbildung 1 (Lockwood 1989, S. 231) illustriert die zeitliche Entwicklung der Klasse – der – Welten – als Welt bei Schrödingers Katze. Progess 2 stellt die Vorwärtsentwicklung im Diagramm. Procees 1 zeigt die Ausdifferenzierung in zwei Zustände“ [vgl. 3.2 Die Seltsamkeiten der Quantentheorie, 3.2.1 Das Superpositionsprinzip, Abb. 1]. „Somit muss diese Erklärung [i. e. Everetts Beschreibung des Kollapses der Quantenwelle als ’subjektives Epiphänomen‘ bzw. sein Verzicht auf eine Ontologie] gemäß der physikalistischen Anforderung an den einen psychophysikalistischen Parallelismu offensichtlich scheitern.“ (vgl. weiter unten). Er zitiert in diesem Zusammenhang auch eine entsprechende Aussage van Neumanns als Beleg.“4
Weiter stellt Soltau fest: „Wie Barrett ausführlich und detailliert darlegt ist es nicht möglich einen objektiven physikalischen Prozess in dem objektiven physikalischen Umwelt-Prozess [„environment“] zu finden, der einem einzelnen, eindeutigen Resultat einer Beobachtung in den Erfahrungen des Beobachters entspricht, den Everett beschreibt. Mit anderen Worten subjektive Erfahrung kann den Kollaps nicht erklären. [Hervorfhebung d. V.]
Dies stimmt jedoch nur für die Außenansicht [BZ 1). In der Innenansicht [World Hologramm, BZ 2] gibt es den (scheinbaren) Effekt des Kollapses als Everett Zustand. Dies ist das Ergebnis eines Auswahlphänomens, dass die Weltenklasse-als-Welt neu definiert und damit die Wellenfunktion. Dieser extra-physikalische Prozess ist ein sekundäres logisches Phänomen.“
Dies bedeutet“, so Soltau, „dass der tatsächliche psychophysische Parallelismus eine Relation zuviel ist [Hervorhebung d. Verf.]: Welt Hologramm zu Weltenklasse. Im extra-physikalischen Wirkungsbereich [BZ 1] der Metawelt [Außenansicht], ist der relative Zustand, dieser extra-physikalische Prozess ontisch. Kollaps ist ein subjektives Epiphänomen der linearen Dynamik [Außenansicht, BZ 1], doch aus der Innenansicht definiert er die Beschaffenheit der physikalischen Realität und damit ihres Quantenzustandes. Gewissermaßen ist der Kollaps der Wellenfunktion in der sekundären logischen Welt [Innenansicht, BZ 2] ontisch. Es wird ein ontologischer Dualismus definiert.“5
5. Die Positionen Matthew Donalds, John Archibald
Wheelers, Menas Kalfatos‘, Keun-Hang Susan Yangs,
David Chalmers‘ und Erwin Schrödingers
In diesem Zusammenhang ist vielleicht auch die Hypothese Matthew Donalds hilfreich, dass „unterschiedliche Geschichten der Muster .. [der] Gehirnfunktionen [eines konkreten Beobachters], i.e. die geschichtliche Entwicklung der Prozesse der neuronalen Informationsverarbeitung [..] [des konkreten Beobachters] .. zum „Objekt der Supervenienz“ wird. Ausgehend von dem Prinzip der „ontischen Relativität“ klassifiziert Soltau auch die „Froschperspektive“ („Innere Ansicht“) des konkreten Beobachters („Individuums“) als „holistisch-lokale“ Realität und weist ihr damit eine relative Ontizität zu. 6
Wheeler (1981) stellte fest, ‚kein Phänomen ist ein Phänomen bevor es ein beobachtetes Phänomen ist, das die Grundlage des partizipatorischen Universums bildet'“ [Übers. d.V.]. 7
Der griechisch-amerikanische Physiker Menas Kalfatos (*1945) und die Professorin für „Computational Neuroscience/Biology and Biosciences“ Keun-Hang Susan Yang legen in ihrem Aufsatz „The Participating Mind In The Quantum Universe“ (2018) dar, dass „Qualia die fundamentalen Komponenten dafür sind, wie das nicht-duale Bewusstsein in das Universum hineinragt und sie bilden den Kern einer erfahrungsbasierten Philosophie des Geistes (Kafatos, 2015).
Das sogenannte ‚harte Problem‘ (Chalmers, 1995) [des Bewusstsein, d. V.] adressiert die Schwierigkeit, Erfahrung im Sinne physikalischer Theorien zu erklären und implizierte selbst die fundamentale Rolle der Qualia [vgl. 7.2.2 Das Leib-Seele (Körper-Geist) Problem, 2. Die materialistische Theorie des Geistes. (a) Die Erklärung der Qualia.]. Erwin Schrödinger selbst vertrat die Ansicht, dass Qualia nicht materiell sind und nicht durch materialistische Theorien erklärt werden können. … Das ‚harte Problem‘ des Bewusstseins verlangt nach einem psycho-physikalischen Ansatz, eine geistige Quantenrealität.“8
Diese pansychistische „geistige Quantenrealität“ auf der Grundlage kontinuierlich wechselnder quantenmechanischer Bezugsrahmen (QMBRs) hat Soltau in seinem „Welt Hologramm“ (Bezugssystem BZ 1) auf dem Hintergrund seines ontischen Interaktionismus beschrieben (vgl. 7.3.3 „Multi- Solipsismus“: Ontischer Dualismus in der holographischen Many Minds Theorie Andrew Soltaus, d) Der „quantenmechanische Bezugsrahmen“ (QMBR) und e) Das „Welt Hologramm“ (the „World Hologram“).
Soltau definiert die subjektive „Welt“ des Beobachters („Individuums“) letztlich als holografisch und bezieht damit auch den neuesten Erkenntnisstand der modernen Kosmologie in seine Interpretation ein, die unser beschleunigt expandierendes Universum als holografischen De-Sitter Raum definiert (vgl. 5.6.7 Lösungsversuche für eine holographische ds/CFT – Korrespondenz) an.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, das Soltaus Begriff der „Wirklichkeit“ und seine Lösung des Körper-Geist Problems folgende zentrale Ideen aufweist:
(i) Soltau vertritt einen quantenmechanisch-ontologischen Interaktionismus (relative Ontizitzät) „Wirklichkeit“ resultiert aus der Abfolge serieller eternalistisacher quantenmechanischer Bezugsrahmen (vgl. 7.3.2.1 „Multi- Solipsismus“: Ontischer Dualismus in der holographischen Many Minds Theorie Andrew Soltaus (P6), d) Der „quantenmechanische Bezugsrahmen“ (QMBR), .Abb. 1].
(ii) Der ontologische Interaktionismus beruht auf dem folgenden Zusammenhang:
„Das Fortschreiten der linearen Dynamik [BZ 1] induziert im neuronalen Netzwerk eines Beobachters (seiner funktionalen Identität) eine neue Beobachtung:
ein neues virtuelles Konstrukt (virtueller Kollaps) ensteht. Dieses verändert die Korrelationsaufzeichnung, die im quantenmechanischen Bezugssystems dieses Beobachters zu einem Fortschreiten der Kollapsdynamik (BZ 2) führt, d.h. der für diesen Beobachter realen Welt. Diese Veränderung widerum führt zur Enstehung eines neuen quantenmechanischen Systems, sowie der begleitenden linearen Dynamik (BZ 1) und der Kreislauf beginnt erneut…“ 9
In der Außenansicht [Vogelperspektive] gibt es nur die Ontizität der lineare Dynamik, „die Zeitentwicklung des Physikalischen, die zu allen möglichen Konfigurationen der Welt führt. In der Innenansicht des Beobachters (seiner spezifischen funktionalen Identität], der [subjektiven] Ansicht innerhalb [seines spezifischen] quantenmechanischen Bezugsrahmens ist dies einfach die Entwicklung seiner „realen Welt“. 10
(iii) Da diese „reale Welt“ jedoch ein virtuelles Konstrukt des Gehirns des Beobachters darstellt [ – der abstrakten Informationsstruktur des Beobachters bzw. seiner spezifischen funktionalen Identität – ] inklusive seiner äußeren Umgebung müste man diese Wirklichkeit des Beobachters als panpsychistisch bezeichnen (vgl. 7.2.2.5 Gradueller Panpsychismus), das sie im Bewußtsein des Beobachters als Individuum existiert und als dreidimensionale Projektion des Bewusstseinsbildes unsere „wahrgenommene Wirklichkeit“ ausmacht.
- Andrew Soltau, The Quantum Mechanical Frame of Reference, ResearchGate, 2010, p. 10, [Digitale Ausgabe], URL: https://www.researchgate.net/publication/46216408_The_Quantum_Mechanical_Frame_of_Reference/link/5b8117594585151fd130ded6/download ↩︎
- Andrew Soltau, The World Hologram, ResearchGate, 2010, p. 10, [Digitale Ausgabe], https://www.researchgate.net/publication/46302137_The_World_Hologram ↩︎
- Andrew Soltau, The World Hologram: The Holographic Universe is Everett’s Relative State – The Measurement Problem is a Category Error of Logical Type, S. 7, [Digitale Ausgabe], URL: https://www.researchgate.net/publication/348907722_The_World_Hologram_The_Holographic_Universe_is_Everett%27s_Relative_State_-_The_Measurement_Problem_is_a_Category_Error_of_Logical_Type ↩︎
- Andrew Soltau, The World Hologram: The Holographic Universe is Everett’s Relative State – The Measurement Problem is a Category Error of Logical Type, S. 7, [Digitale Ausgabe], URL: https://www.researchgate.net/publication/348907722_The_World_Hologram_The_Holographic_Universe_is_Everett%27s_Relative_State_-_The_Measurement_Problem_is_a_Category_Error_of_Logical_Type ↩︎
- Ib. p I. 5 ↩︎
- Matthew J. Donalds, On Many-Minds Interpretations of Quantum Theory, The Cavendish Laboratory, Cambridge, Great Britain, 1997, pp. 1 seccq., [Digitale Ausgabe], URL: https://arxiv.org/pdf/quant-ph/9703008.pdf ↩︎
- Menas C. Kafatos & Keun-Hang S. Yang, „THE PARTICIPATING MIND IN THE QUANTUM UNIVERSE“, Chapman University, Chapman University Digital Commons, in: Cosmos and History: The Journal of Natural and Social Philosophy, Vol. 14,
No. 1, 2018p. 41, [Digitale Ausgabe], URL: https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=&ved=2ahUKEwi84qGbqPr_AhXRSvEDHbB0CmoQFnoECA4QAQ&url=https%3A%2F%2Fcore.ac.uk%2Fdownload%2Fpdf%2F215775926.pdf&usg=AOvVaw1W2VXmQMEZauFVWRPAo19z&opi=89978449 ↩︎ - Ib. p. 49 ↩︎
- Andrew Soltau, The Quantum Mechanical Frame of Reference, ResearchGate, 2010, p. 10 secqq., [Digitale Ausgabe], URL: https://www.researchgate.net/publication/46216408_The_Quantum_Mechanical_Frame_of_Reference/link/5b8117594585151fd130ded6/download ↩︎
- Ib. ↩︎
