7.2.1 Frank Tiplers Omegapunkt Universum
Frank Tipler, mathematischer Physiker, an der Tulane Universität (New Orleans), versuchte mit Hilfe „der Quantenmechanik, der Informationtheorie, sowie moderner Mathematik .. die Existenz Gottes, ein Leben nach dem Tode, das Fegefeuer und die physische Auferstehung der Toten zu beweisen“.1
Abb. 1: Frank Tipler (* 1. Februar 1947 in Andalusia, Alabama, USA) ist amerikanischer Physiker.
Seine Theorie basiert auf dem Konzept Gottes als „Omegapunkt„, ein Begriff, der auf den französischen Jesuiten und Paläontologen Teilhard de Chardin (1881-1955) zurückgeht und Gott als allwissendes Wesen an der Grenze der Zeit versteht.
Im Buch der Offenbarungen beschreibt Jesus sich selbst als „das Alpha und Omega, den Anfang und das Ende“2
„Tipler nennt seine Darlegung ‚eine testbare physikalische Theorie der Existenz eines omnipresenten, omniszienten und omnipotenten Gottes, der jeden Einzelnen von uns eines Tages in der fernen Zukunft auferstehen lassen wird, um für immer in einer Heimstätte zu leben, der in allen wesentlichen Aspekten der jüdisch-christlichen Himmel ist.'“3
Der Omega Punkt ist eine Singularität am Ende der Zeit, wenn es möglich werden wird für ewig alle lebenden Wesen, die in allen vergangenen Zeiten im Universum existiert haben, zu emulieren.“
Damit stellt die Existenz des Omegapunktes ein Postulat zur Rechtfertigung des „starken anthropischen Prinzips“ dar: „wenn ein bewusster Beobachter erforderlich ist, damit das Universum exsistiert, muss zur Vermeidung einer Paradoxie angenommen werden, dass ein bewusster Geist am Ende des Universums als Beobachter und ‚Schöpfer‘ des Universums zu einer Zeit, die für uns als Vergangenheit erscheint, existiert. ..
Tipler verweist zur Unterstützung dieser These auf Wheelers‚ ‚Experiment der aufgeschobenen Wahl‚, das die Möglichkeit zu zeigen scheint, das eine in der Gegenwart durchgeführte Beobachtung eines in der Vergangenheit geschehenen Ereignisses (z.B. die Explosion einer Supernova) das gleiche Ereignis in der Vergangenheit beinflussen kann. Damit wird es für einen Beobachter in der fernen Zukunft möglich, durch seine Beobachtung der gesamten vergangenen Realität Bedeutung zu geben.“4
Tipler stützt sich in seiner Theorie der Auferstehung auf das zusammen mit John D. Barrow in „The Anthropic Cosmological Principle„ (1988) vertretene „ultimative anthropische Prinzip„, nachdem mit dem Auftreten des Menschen im Universum dieser dazu bestimmt ist, das gesamte Universum auszufüllen und für ewig zu überleben.“5
Die Begründung eines „ultimativen anthropischen Prinzips“ („starken anthropischen Prinzips„) liegt im Problem der „Feinabstimmung„ [„Fine Tuning“]. „In der theoretischen Physik ist dies der Prozess, durch den die Parameter eines Modells sehr genau angepasst werden müssen, um zu bestimmten Beobachtungen zu passen.
.. [Dies bedeutet], dass die fundamentalen Konstanten und Quantitäten unseres Universums [z. B.] die Lichtgeschwindigkeit (c), der absolute Nullpunkt der Temperatur (t0), die Fallbeschleunigung (g), die angibt, die Gravitationskonstante (G), das Plancksche Wirkungsquantum (h) oder die Ladung und die Masse eines Elektrons (e, kg), etc.] in den Bereich der sehr hohen Genauigkeit fallen [Rees 2000], da sonst der Ursprung und die Entwicklung von bewusstem Leben nicht möglich gewesen wäre.“6
Tipler vertritt mit seiner These der Entwicklung und Erlösung der Menschheit einen extremen Anthropozentrismus. Schon angesichts der bisher bereits entdeckten 4839 Exoplaneten in 3578 Systemen (13, August 2021) und der damit verbundenen Möglichkeit der Existenz extraterrestrischen Lebens scheinen Tiplers anthropozentrische Thesen fragwürdig.7
Abb. 1: System des Sterns HR 8799 (Mitte, hinter kreisförmiger Abdeckung) mit den Planeten HR 8799b (links oben), HR 8799c (rechts oben), HR 8799d (rechts unten) und HR 8799e (Mitte rechts), aufgenommen vom Keck-Observatorium 2009–2016
Eine Möglichkeit die „Feinabstimmung“ auf andere Weise zu erklären und Tiplers Eschatologie sowie ein kreationistisches „universe by Design“ [„Intelligent Design Universum„] zu vermeiden bietet die Inflationshypothese und damit verbunden die Multiversums Theorie (vgl. 5.6.8.1)
Tiplers Theorieansatz ist insgesamt stark reduktionistisch. Er vertritt zum einen die Auffassung, das die Theologie nur als neuer Bestandteil der Physik überleben kann. „Die menschliche Seele„, so stellt er fest, „ist ein ‚Software‚ Programm, das auf der ‚Hardware‚ des Gehirns läuft. Paradoxerweise vertritt er zugleich das Prinzip des freien Willens und eines ‚liebenden Gottes‚, der uns eines Tages alle auferstehen lassen wird.“ Dies setzt nach Tipler voraus, dass „das individuelle Bewusstsein eines jedes Menschen nach dem Tode in anderen Formen zu der Entwicklung des Kosmos beitragen sollte.“8
Auf die Vermischung von harten physikalischen Fakten und unbewiesenen Hypothesen wie z. B. die „Bedingung der Omegapunkt Grenze sowie theologischen Spekulationen wurde bereits .. hingewiesen.9 Schon die Tatsache, dass der von ihm unterstellte „Big Crunch“ wegen der beschleunigten Expansion unserer Kosmos voraussichtlich nicht eintreten wird, führt zu eine Falsifikation der Grundprämisse Tiplers.“10
Tipler gabe seine Theorie jedoch nicht auf, sondern vertrat in „The Physics of Christianity“ (2008) die spekulative These, dass intelligentes Leben das Universum ausfült und die Struktur der Realität ändert, indem die positive kosmologische Konstante, die die beschleunigte Expansion des Kosmos verursacht, aufgehoben wird.
„Dies könnte“, nach Tipler, „auf die Weise erfolgen, dass das Higgsfeld, welches sich im Zustand eines falschen Vakuums befindet, in den Zustand echten Vakuums überführt wird, d.h. in seinen Zustand geringster Energie, der dann genug Energie liefern würde, um ein … deutliches Anwachsen der Gravitationsenergie zu bewirken, um den Kollaps des Universums zu triggern. Doch dies ist keine testbare Prognose, sondern nur eine Hypothese.“11
- The Physics of Immortality, Publishers‘ Weekly, Book Reviews, [Digitale Ausgabe], URL: https://www.publishersweekly.com/978-0-385-46798-8; vgl. auch Frank J. Tipler, Die Physik der Unsterblichkeit: Moderne Kosmologie, Gott und die Auferstehung der Toten,. Aus dem Amerikanischen von Inge Leipold, Barbara Schaden und Martin Lavelle, Piper Verlag, München/Zürich: 1994″ ↩︎
- Artikel „Omega Point“, in: Wikipedia, [Digitale Ausgabe], URL: https://en.wikipedia.org/wiki/Omega_Point ↩︎
- Roberto Paura, The (meta)physics of immortality: Death and eternal life in Fr und Martin Lavellank Tipler’s and Robert Lanza’s theories, Italian Inmstitute for the Future, Funes. Journal of narratives and social sciences, Volumed 2, 2018, p. 26 , [Digitale Ausgabe], URL: https://www.researchgate.net/publication/326317844_The_metaphysics_of_immortality_Death_and_eternal_life_in_Frank_Tipler_and_Robert_Lanza’s_theories/link/5b45b6d2a6fdcc6619174163/ ↩︎
- Ib. ↩︎
- Ib. ↩︎
- Artikel „Naturkonstanten“, in: Schülerlexikon, Lernhelfer, 2010, [Digitale Ausgabe], URL: https://www.lernhelfer.de/schuelerlexikon/physik/artikel/naturkonstanten ↩︎
- Artikel „Exoplanet“, in: Wikipedia, [Digitale Ausgabe], URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Exoplanet#Zahl_der_bekannten_Exoplaneten ↩︎
- „The Physics of Immortality, Publishers‘ Weekly, Book Reviews, [Digitale Ausgabe], URL: https://www.publishersweekly.com/978-0-385-46798-8
↩︎ - John Walker, „The Physics of Immortality“, Formilab, Review, 26. Oktober, 1994, [Digitale Ausgabe], URL: https://www.fourmilab.ch/documents/tipler.html; vgl auch George Ellis,“ The Physics of Immortality: Modern Cosmology, God and the Resurrection of the Dead“, Nature, Book Reviews, volume 371, page 115 (1994) [Digitale Ausgabe], URL: https://doi.org/10.1038/371115a0 ↩︎
- Roberto Paura, The (meta)physics of immortality: Death and eternal life in Frank Tipler’s and Robert Lanza’s theories, Italian Inmstitute for the Future, Funes. Journal of narratives and social sciences, Volumed 2, 2018, p. 28, [Digitale Ausgabe], URL: https://www.researchgate.net/publication/326317844_The_metaphysics_of_immortality_Death_and_eternal_life_in_Frank_Tipler_and_Robert_Lanza’s_theories/link/5b45b6d2a6fdcc6619174163/ ↩︎
- Ib. ↩︎


